01
Design | Response | Ability
Ausverkauft / sold out
In gleichem Maße wie Architektur Produkt menschlicher Kultur ist, prägt oder beeinflusst die gebaute Umwelt Verhaltensweisen, Gewohnheiten und soziale Entwicklungen. Diesen Zusammenhang zwischen Gesellschaftsstrukturen und dem räumlichen Ordnungssystem der Siedlungen deutete der Anthropologe Claude Lévi-Strauss während seiner Untersuchungen in den Urwäldern Südamerikas. Auf der Suche nach der ursprünglichen Kultur überhaupt, besuchte er verschiedene Völker in der Region und studierte deren Lebensgewohnheiten. Einige seiner Ergebnisse zeigten, wie die spanischen Konquistadoren mittels gezielter Eingriffe in die Siedlungsstrukturen das gesamte gesellschaftliche Gefüge zerstörten und damit den Weg für die großflächige Missionierung ebneten.
Vor diesem Hintergrund kommt der Rolle des Architekten als ein maßgeblicher Gestalter der Grundordnung des menschlichen Zusammenlebens besondere Bedeutung zu, hat seine Expertise doch an der Entwicklung der gebauten Umwelt wesentlichen Anteil. Damit einher geht die Verantwortung des Architekten nicht nur gegenüber seinem Werk, sondern auch der Gesellschaft zu der dieses Werk einen Beitrag leistet. Welche Entscheidungen darf er in diesem Gefüge aufgrund seiner Professionalität treffen? Welche möglichen oder notwendigen Konsequenzen muss er berücksichtigen?
Die wachsende Wahrnehmung der globalen klimatischen Veränderung zeigt beispielhaft, wie sich ein Problem, das in den 80er Jahren nur von wenigen Experten untersucht und thematisiert wurde, heute Einfluss auf jedes Bauvorhaben ausübt. Mit einem solchen Wandel ändern sich auch die an den Architekten gestellten Ansprüche. Zunehmend ist er gefordert, immer mehr Aspekte anderer Disziplinen zu beachten. Mancher sieht hierin sogar die Chance der Architektur, ihren eigenen Kosmos zu überwinden, indem sie fordern, sowohl der Prozess als auch die Praxis der Architektur müsse sich auf eine Art entwickeln, die die Profession beschleunigt. Weg von der Kritik, hin zum Projekt, weg von der Reaktion hin zur Innovation. Doch wo bleibt in diesem Szenario die Aufgabe der Architektur in der Gesellschaft? Gibt es nicht über die inzwischen allgemein akzeptierte und geforderte ökologische Verantwortung hinaus noch andere Imperative wie soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Nachhaltigkeit? Kann sich die Architektur diesen Forderungen überhaupt entziehen? In seinem Buch BUILT UPON LOVE: ARCHITECTURAL LONGING AFTER ETHICS AND AESTHETICS betont Alberto Pérez-Gómez die Verbindung von Poetik und Ethik in der Architektur, konstatiert aber auch, das zwar menschliches Verlangen die gebaute Welt geschaffen hat, allerdings häufig in einer Form der wir heute absprechen, das gesellschaftliche Wohl im Sinn gehabt zu haben. Seit jeher, stellen wir fest, entwickelt sich die Architektur dort besonders rasant, wo sie auf autokratische Strukturen trifft. Ethikprofessor Markus Huppenbauer kritisiert deshalb, dass sich »die exponierten Vertreter unseres Berufstands […] ihrer Verantwortung nicht bewusst zu sein« scheinen. Dem Anspruch umfassenden gesellschaftlichen Bewusstseins gegenüber steht offensichtlich eine Reihe von Entwerfern, die sich fern ab von politischen und sozialen Fragen auf architekturimmanente Aufgaben konzentrieren. Letztlich stellen sich zwei Fragen. Wie viel Verantwortung trägt die Architektur tatsächlich gegenüber der Gesellschaft? Und wie viel Verantwortung kann und muss sie vertragen, ohne dass produktives Schaffen und Handeln verunmöglicht werden?
Authors & Artists:
Aravena,Alejandro; BHSF Architekten; Bauer,David; Bucsein, Benedict; Faustino, Didier; Fritz, Moritz; Hack, Hermann Josef; Humpert,Axel; Jormakka, Kari; Kraus, Michael; Kirfel, Florian; Malzahn, Jonas; Mensadebatte.de; Rural Studio; Schäfer, Johannes; Scheithauer,Simon; Schmidt,Martin; Simons, Johann; Wicke, Danny
Gestaltung:
Dahl,Tobias; Martin, Patrick
In gleichem Maße wie Architektur Produkt menschlicher Kultur ist, prägt oder beeinflusst die gebaute Umwelt Verhaltensweisen, Gewohnheiten und soziale Entwicklungen. Diesen Zusammenhang zwischen Gesellschaftsstrukturen und dem räumlichen Ordnungssystem der Siedlungen deutete der Anthropologe Claude Lévi-Strauss während seiner Untersuchungen in den Urwäldern Südamerikas. Auf der Suche nach der ursprünglichen Kultur überhaupt, besuchte er verschiedene Völker in der Region und studierte deren Lebensgewohnheiten. Einige seiner Ergebnisse zeigten, wie die spanischen Konquistadoren mittels gezielter Eingriffe in die Siedlungsstrukturen das gesamte gesellschaftliche Gefüge zerstörten und damit den Weg für die großflächige Missionierung ebneten.
Vor diesem Hintergrund kommt der Rolle des Architekten als ein maßgeblicher Gestalter der Grundordnung des menschlichen Zusammenlebens besondere Bedeutung zu, hat seine Expertise doch an der Entwicklung der gebauten Umwelt wesentlichen Anteil. Damit einher geht die Verantwortung des Architekten nicht nur gegenüber seinem Werk, sondern auch der Gesellschaft zu der dieses Werk einen Beitrag leistet. Welche Entscheidungen darf er in diesem Gefüge aufgrund seiner Professionalität treffen? Welche möglichen oder notwendigen Konsequenzen muss er berücksichtigen?
Die wachsende Wahrnehmung der globalen klimatischen Veränderung zeigt beispielhaft, wie sich ein Problem, das in den 80er Jahren nur von wenigen Experten untersucht und thematisiert wurde, heute Einfluss auf jedes Bauvorhaben ausübt. Mit einem solchen Wandel ändern sich auch die an den Architekten gestellten Ansprüche. Zunehmend ist er gefordert, immer mehr Aspekte anderer Disziplinen zu beachten. Mancher sieht hierin sogar die Chance der Architektur, ihren eigenen Kosmos zu überwinden, indem sie fordern, sowohl der Prozess als auch die Praxis der Architektur müsse sich auf eine Art entwickeln, die die Profession beschleunigt. Weg von der Kritik, hin zum Projekt, weg von der Reaktion hin zur Innovation. Doch wo bleibt in diesem Szenario die Aufgabe der Architektur in der Gesellschaft? Gibt es nicht über die inzwischen allgemein akzeptierte und geforderte ökologische Verantwortung hinaus noch andere Imperative wie soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Nachhaltigkeit? Kann sich die Architektur diesen Forderungen überhaupt entziehen? In seinem Buch BUILT UPON LOVE: ARCHITECTURAL LONGING AFTER ETHICS AND AESTHETICS betont Alberto Pérez-Gómez die Verbindung von Poetik und Ethik in der Architektur, konstatiert aber auch, das zwar menschliches Verlangen die gebaute Welt geschaffen hat, allerdings häufig in einer Form der wir heute absprechen, das gesellschaftliche Wohl im Sinn gehabt zu haben. Seit jeher, stellen wir fest, entwickelt sich die Architektur dort besonders rasant, wo sie auf autokratische Strukturen trifft. Ethikprofessor Markus Huppenbauer kritisiert deshalb, dass sich »die exponierten Vertreter unseres Berufstands […] ihrer Verantwortung nicht bewusst zu sein« scheinen. Dem Anspruch umfassenden gesellschaftlichen Bewusstseins gegenüber steht offensichtlich eine Reihe von Entwerfern, die sich fern ab von politischen und sozialen Fragen auf architekturimmanente Aufgaben konzentrieren. Letztlich stellen sich zwei Fragen. Wie viel Verantwortung trägt die Architektur tatsächlich gegenüber der Gesellschaft? Und wie viel Verantwortung kann und muss sie vertragen, ohne dass produktives Schaffen und Handeln verunmöglicht werden?
Authors & Artists:
Aravena,Alejandro; BHSF Architekten; Bauer,David; Bucsein, Benedict; Faustino, Didier; Fritz, Moritz; Hack, Hermann Josef; Humpert,Axel; Jormakka, Kari; Kraus, Michael; Kirfel, Florian; Malzahn, Jonas; Mensadebatte.de; Rural Studio; Schäfer, Johannes; Scheithauer,Simon; Schmidt,Martin; Simons, Johann; Wicke, Danny
Gestaltung:
Dahl,Tobias; Martin, Patrick